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Interview mit Dr. Jörg Hofmann

Es gibt im Strafgesetzbuch den § 285, der die Teilnahme an einem unerlaubten öffentlichen Glücksspiel unter Strafe stellt. Bis zu sechs Monate Haft oder eine Geldstrafe drohen. Allerdings unterscheidet sich die Durchsetzung dieser Strafbestimmung in der Praxis von Fall zu Fall. Behörden richten ihre Aufmerksamkeit oft eher auf die Veranstalter und Vermittler. Es kann gleichwohl ein strafrechtliches Risiko für den Spieler bestehen, insbesondere wenn Indizien für eine systematische oder gewerbliche Beteiligung am illegalen Glücksspiel vorliegen. Von einer „generellen Straflosigkeit“ der bloßen Teilnahme sollte man nicht unbedingt ausgehen.

In der Praxis sind Ermittlungsverfahren gegen Spieler eher selten. Wenn es zu einem Verfahren kommt, wird zu prüfen sein, ob die Spieler wussten, dass der Glücksspielanbieter keine in Deutschland gültige Lizenz hatte bzw. brauchte. Gingen sie von einem rechtmäßigen Angebot aus, können sie sich auf die fehlende Kenntnis der Rechtswidrigkeit berufen. Strafbare Beteiligung an Glücksspielen setzt vorsätzliches Handeln voraus, das heißt, die Spieler mussten gewusst haben, dass sie an einem illegalen Glücksspiel teilnehmen. In jedem Fall ist es empfehlenswert, anwaltlichen Rat einzuholen.

In der jüngeren Vergangenheit wurden mehrfach Stimmen aus Politik und Rechtswissenschaft laut, die eine (Teil-)Abschaffung der §§ 284 ff. StGB forderten, um das Glücksspielstrafrecht zu „entschlacken“ und Behörden sowie Gerichte zu entlasten. Einzelne Fachkreise haben gelegentlich vor allem im Zuge der Neuregulierung des Online-Glücksspielmarktes für eine Entkriminalisierung für Spieler oder sogar für eine ersatzlose Streichung der Veranstalterstrafbarkeit plädiert. Eine durchsetzungsfähige politische Mehrheit ist dafür aber gegenwärtig nicht ersichtlich.

Ich halte eine Abschaffung dieser Strafvorschriften für problematisch, weil dadurch die Position von Schwarzmarktanbietern weiter gestärkt wird. Zwar dürfte die Kanalisierung von Spielern in den lizensierten Markt eher von der Attraktivität der Produkte als durch Strafandrohung beeinflusst werden. Es mag für den einen oder anderen gleichwohl eine Hürde darstellen, wenn das Handeln unter Strafe steht. Ohne Strafandrohung fehlt ein signifikanter Abschreckungseffekt. Eine Entkriminalisierung könnte wie eine Einladung wirken, auf illegale Anbieter zurückzugreifen.

In der Regel berufen Spieler sich auf § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Danach können Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nichtig sein. Das führt zu Rückabwicklungen der jeweils genannten Leistungen. Hat der Spieler mehr verloren als eingezahlt, fordert er die Verluste zurück. Überwiegen die Gewinne, wäre er theoretisch zu deren Rückzahlung verpflichtet. Auch werden vermeintliche Ansprüche teilweise auf Pflichtverletzungen gestützt. Hierbei dreht es sich meistens um Nichtbeachtung regulatorischer Vorgaben. Die Rechtslage ist nach wie vor hoch umstritten. Bei Online-Casino hat es den Anschein, dass die Zivilgerichte überwiegend derartige Ansprüche anerkennen, soweit sie der Höhe nach nachgewiesen werden können.

Bei Sportwetten herrscht höhere Zurückhaltung der Gerichte, weil die Entwicklung der Sportwettregulierung nach einem gescheiterten Lizenzierungsversuch vor über zehn Jahren in Deutschland bereits als europarechtswidrig erkannt wurde. Rechtsunsicherheit und damit nicht zu vernachlässigende Kostenrisiken verbleiben so lange bestehen, bis endgültig entschieden wurde, ob die Verbotsnormen in Deutschland mit höherrangigem Europarecht in Einklang standen oder eben nicht. Die Frage kann nur der Europäische Gerichtshof in Luxemburg klären. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es in nächster Zeit aufgrund bereits anhängiger Verfahren Signale der europäischen Richter gibt.

Das lässt sich nicht allgemein sagen. Anbieter im Ausland, vor allem wenn diese außerhalb der Europäischen Union ihren Sitz haben, unterliegen in der Regel nicht einer staatlichen Überwachung. Wenn Sie Gewinne nicht auszahlen, kann man meistens nicht viel machen. Viele in Deutschland nicht lizenzierte Anbieter locken mit attraktiven Angeboten und Boni. Die Mehrheit dieser illegalen Anbieter dürfte schon im eigenen Interesse der Kundenbindung Wert darauf legen, erzielte Gewinne an ihre Spieler auszuzahlen.

Ich höre aber immer wieder von Fällen, dass das nicht funktioniert, wenn es sich um höhere Beträge handelt. Da werden Gewinne bestritten, manchmal mit technischen Scheinargumenten. Es werden über einen längeren Zeitraum erstreckte Teilzahlungen vorgesehen, oder es gibt überhaupt keine Reaktion. In diesen Fällen hat man sich schwarze Schafe im gleichfarbigen Markt ausgesucht. Der Rechtsschutz ist auch nicht unproblematisch, weil man als Spieler natürlich selbst an einem illegalen Glücksspiel teilgenommen hat. Wenn dieses Glücksspiel von einem Gebiet außerhalb der Europäischen Union angeboten wurde, gibt es kein rechtliches Argument der Entlastung.

Der europäische Gerichtshof wird eines Tages die alles entscheidende Frage zu beantworten haben, nämlich ob die deutsche Glücksspielregulierung in den letzten Jahren rechtmäßig war oder europäisches Recht verletzt hat. Verstöße gegen die allgemeine Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU, gegen Transparenzanforderungen und weitere Merkmale, die Staaten erfüllen müssen, wenn sie private Anbieter vom nationalen Glücksspielmarkt ausschließen wollen, sind durchaus begründbar. Aktuell gibt es verschiedene Vorlagen des Bundesgerichtshofs sowie eines deutschen Landgerichts. Aber auch Gerichte anderer Länder haben relevante Fälle dem EuGH vorgelegt. Dazu zählt auch ein derzeit einiges Verfahren aus Malta, in dem es um von dort aus getätigte Glücksspielangebote in Deutschland geht. Noch in diesem Jahr werden Entscheidungen erwartet. Deren Ausgang ist schwer zu prognostizieren.

Wenn Datenschutzverletzungen vorliegen und nachweislich ein Zugriff auf personenbezogene Daten erfolgt ist, haben Spieler einen Anspruch auf Schadensersatz. Grundsätzlich muss die verantwortliche Stelle in diesen Fällen die Datenschutzaufsichtsbehörde sowie betroffene Spieler informieren.

Unerlaubte Glücksspielwerbung per se begründet keinen Schadensersatzanspruch. Die gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in Halle/Saale ist für die Einhaltung der Werbevorschriften im Glücksspielbereich zuständig. Sie kann diese untersagen und Vollzugsmaßnahmen gegenüber Anbieter und Werbetreibende betreiben. Insoweit sind wir im Sanktionsbereich.

Der Glücksspielstaatsvertrag geht davon aus, dass sowohl Payment Blocking wie auch IP-Blocking wirksame Instrumente zur Bekämpfung der Schwarzmarkt sind. Diese Vorstellung geht weitgehend ins Leere. Die Unterbindung von Zahlungsströmen zwischen Spielern und illegalen Glücksspielanbietern funktioniert nur dort, wo die GGL Zugriff auf die Zahlungsdienstleister hat. Das betrifft die bekannten und etablierten Unternehmen, die in der Regel aber ohnehin von sich aus nicht an illegalen Transaktionen mitwirken. Es gibt einen unübersehbaren Markt an Zahlungsdienstleistern, gegen die Vollzugsmaßnahmen faktisch nicht möglich sind. Diese setzt natürlich weitgehend im entfernten Ausland.

Bei Zahlungen über Crypto-Währungen hat der Verwaltungsvollzug in der Regel ohnehin keine Chance. IP-Blocking wurde bislang von den deutschen Gerichten als nicht zulässig erachtet, da die Rechtsgrundlage des Staatsvertrags hierfür keine hinreichende Grundlage bietet. Das will man ändern. Aber auch dann wird sich der Markt nicht großartig verändern. Eine wirksame Bekämpfung des Schwarzmarktes – so zeigen globale Erfahrungen – funktioniert nur über ein attraktives Glückspielangebot, dass den Spieler veranlasst, erst gar nicht über illegale Alternativen nachzudenken. Das hat man in der deutschen Politik bislang noch nicht begriffen.

Was fehlt, ist genau die richtige Balance zwischen Verbotenem und Erlaubten. Damit meine ich die gerade angesprochene fehlende Attraktivität des Glücksspielangebotes. Solange die Spieler ihre bevorzugten Spiele nur im Schwarzmarkt finden, werden sie sie dort suchen. Wenn Wettangebote in Deutschland weit hinter dem liegen, was in und aus anderen Ländern angeboten wird, ist der lizenzierte Deutsche Mark nicht konkurrenzfähig. Unsinnige Beschränkungen, wie wir sie in Deutschland viel zu oft wahrnehmen, müssen weg. Ich kenne kein Land der Welt, dass die Notwendigkeit sieht, die Mindestlaufzeit der Walze beim Automatenspiel auf 5 Sekunden zu beschränken, wenn der Standard überall bei 3 Sekunden liegt. Limits sind gut, aber sie taugen nichts, wenn sie nicht individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasst werden können.

„One size fits all“, wie in Deutschland, vertreibt Spieler mit höheren Budgets zwangsläufig aus den hiesigen Markt. Es gäbe zahlreiche weitere Details, die ich noch als Beispiel anfügen könnte, aber das würde den Rahmen sprengen. Eines nenne ich aber noch: Die in Deutschland aktuell erfolgende Besteuerung der Einsätze von Glücksspielen ist völlig verfehlt und eine der Hauptursachen für die gescheiterte Kanalisierung des Glücksspielstaatvertrages.

Kanalisierung meint, das Lenken der Spieler in geordnete, lizensierte und staatlich überwachte Glücksspielangebote. Anbieter von virtuellen Automatenspiele können gar nicht anders, als bei einem Steuersatz von nominal 5,3 % auf die Einsatze ihre Auszahlungsquoten zu senken. Damit sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Spieler wandern ab. Nur eine ausgewogene Besteuerung des Bruttospielerträge kann das vermeiden. Die überwiegende Mehrheit der Staaten in der EU mit weitaus höherer Kanalisierungsquote als Deutschland hat das längst vorgeführt. Ich schätze den Schwarzmarktanteil im deutschen Online-Glücksspielmarkt auf irgendwo zwischen 70 und 80 Prozent.

Die Biografie von Dr. Jörg Hofmann

Dr. Jörg Hofmann leitet die Betting and Gaming Group im Head-Office von Melchers Rechtsanwälte in Heidelberg. Er ist Past-Präsident der International Masters of Gaming Law (IMGL). Dr. Hofmann wird von Chambers Global regelmäßig als „Leading Individual“ im Bereich Gaming & Gambling geführt und vom Handelsblatt und BestLawyers unter den „Germany’s Best Lawyers“ in der Kategorie „Gaming Law“ gelistet.

Er veröffentlicht regelmäßig Artikel in internationalen Fachzeitschriften und hält laufend Vorträge auf führenden Gaming-Law-Konferenzen weltweit. Who’s Who Legal verlieh Joerg 2023 die globale Auszeichnung „Gaming Lawyer of the Year”. Joerg lehrt Glücksspielrecht an der Universität Heidelberg und an der Bucerius Law School in Hamburg.

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Casino Experte
10+ Jahre Erfahrung
Benjamin Dahl photo

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Wie viele Menschen glaube auch ich, dass der Spieltrieb tief in uns verankert ist. Ich bin das beste Beispiel dafür. Die Leidenschaft für das Spiel und seine Hintergründe begleitet mich bereits seit vielen, vielen Jahren. Ich war schon immer fasziniert von der Anziehung, die Spielhallen und Spielbanken auf die Menschen ausüben. Umso stärker hat mein Interesse für die Online Casinos in den letzten Jahren zugenommen. Für mich ist es eine echte Berufung, als Autor über sämtliche Themen aus diesem Bereich berichten zu dürfen.

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Fakten gecheckt von Thomas Kellner

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